Inzuchtkoeffizient und Ahnenverlustkoeffizient

Von Thomas Bez am 02.08.2018

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Hier werden einige Begriffe erläutert, die in der Züchtersektion der Datenbank verwendet wurden. Diese Erklärung wird möglicherweise hilfreich sein, falls jemand vorhat, in seiner eigenen Datenbank einen entsprechenden Algorithmus zu implementieren. Als weiterführende Lektüre empfehlen wir das Buch "Praktische Genetik für Hundezüchter" von Friedmar Krautwurst, Kynos Verlag, ISBN 3-933228-52-2, und die Studie "Coefficients of inbreeding and relationship" von Sewall Wright, die im Internet zu finden ist.

Ahnenverlustkoeffizient (AVK)

Der Ahnenverlustkoeffizient ist ein Maß für die Anzahl gemeinsamer Vorgänger, ermittelt über die väterliche und die mütterliche Linie zusammen genommen. Der Wert ergibt sich aus dem Quotienten von tatsächliche Zahl von Ahnen und möglicher Zahl von Ahnen. (Nach dieser Berechnungsmethode müßte der Koeffizient genaugenommen "Ahnenvielfaltskoeffizient" heißen, denn bei seinem Maximalwert von 100% ist der Ahnenverlust null.)

Der AVK ist nur sinnvoll zusammen mit der Angabe der Anzahl betrachteter Generationen. Mit wachsender Zahl von Generationen sinkt der AVK in der Regel sehr stark. Dies kommt daher, daß die Entfernung der gezählten Ahnen nicht in die Berechnung des AVK-Wertes eingeht.

Der Vorteil des AVK ist, daß er (zumindest in begrenztem Maße) erlaubt, die Vielfalt des Genpools eines Tieres im ganzen zu beurteilen.

Inzuchtkoeffizient (IK)

Der Inzuchtkoeffizient bezieht sich nicht auf den Genpool eines Tieres im ganzen, sondern drückt die Wahrscheinlichkeit aus, daß die beiden vorhandenen Allele eines beliebigen Gens bis auf zufällige Mutationen identisch sind, also vom selben Vorfahren abstammen. Da gleiche Allele nur einmal über den Vater und einmal über die Mutter übertragen werden, gehen in die Ermittlung des IK nur die Vorfahren ein, die sowohl in der väterlichen als auch der mütterlichen Linie vorhanden sind.

In die Berechnung des IK geht die Entfernung der gemeinsamen Vorfahren vom Probanden ein, und zwar in einer Zweierpotenz. Das hat zur Folge, daß der IK im Gegensatz zum AVK konvergiert und sich mit wachsender Zahl betrachteter Generationen immer weniger ändert.

Dies ist die Formel für die Berechnung des IK:


1...m sind die Vorfahren, die mütterlicher und väterlicher Linie gemeinsam sind. n(a,s) und n(a,d) sind die Entfernungen (in Generationen) der gemeinsamen Vorfahren vom Probanden. Genaugenommen müßten auch die Inzuchtkoeffizienten F(a) der jeweiligen gemeinsamen Vorfahren in die Rechnung einbezogen werden. Da sie das Ergebnis meist kaum spürbar beeinflussen, verzichten wir in den Kalkulationen der Datenbank auf diese Komponente, d.h. wir nehmen F(a)=0 an.

Im Extremfall der Verpaarung zweier Geschwister steigt der IK auf den Wert 0,25 (25%). Ein besonderer Effekt des IK ist, daß er (zumindest theoretisch) mit einem Schlag auf null gebracht werden kann. Kreuzten wir in eine etablierte europäische Zuchtlinie einen Briard aus dem hintersten Winkel der Welt ein, der zwar wirklich ein Briard ist, aber nachweislich seit X Generationen nicht mehr mit unserer Linie verwandt, würde der IK null.

Die Methode zur Berechnung des IK basiert auf der Studie "Coefficients of inbreeding and relationship" von Sewall Wright <https://aipl.arsusda.gov/publish/other/wright1922.pdf> in The American Naturalist 1922. Da die Berechnung der vollständigen Formel, die auch noch die individuellen IK jedes Vorfahren einbezieht, aufwendig und daher langsam wäre, verwenden wir in der Datenbank eine vereinfachte Berechnungsmethode. In der Wikipedia werden die Methoden erläutert. Die von uns verwendete Methode heißt dort "Berechnung über Isonomiekoeffizienten".

Für Briards betrachten wir IK bis zu 2% über 7 Generationen als normal und üblich. Im Bereich so niedriger Inzuchtgrade liefern beide Formeln (die exakte und die vereinfachte) praktisch die gleichen Werte. Bei Nutzvieh sind hohe Grade an Inzucht oft zur Erzielung eines bestimmten Ergebnisses bzw. Leistungswertes erwünscht. (Wir wollen das hier nicht werten.) Die Studie von Wright zeigt gleich ein schönes Beispiel mit 46% über vier Generationen. In solch einem extremen Fall liefern beide Formeln tatsächlich unterschiedliche Ergebnisse, aber wir fragen uns, wieso man sich in diesen Bereichen überhaupt noch für einen IK-Wert interessieren sollte.

Der IK konvergiert mit wachsender Zahl von Generationen, die betrachtet werden. Genauer: Die Grenzveränderung des IK bei Einbeziehung einer weiteren Generation in die Berechnung nimmt mit wachsender Anzahl von Generationen ab. Im Gegensatz dazu divergiert der AVK und geht dann immer gegen null, was er tun muß, da alle Briards miteinander verwandt sind und der AVK nicht die Distanz der Individuen in der Generationenfolge berücksichtigt.

Beispiel: Herzogin aus dem Barnimer Land = Fausto vom Wälkesberg x Clarissa aus dem Barnimer Land

Generationen IK AVK
4 0,00% 100,00%
5 0,00% 98,39%
6 0,78% 85,71%
7 0,92% 68,90%
8 0,95% 52,94%
9 0,98% 38,06%
10 0,99% 24,98%

Unsere Herzogin hat also den gleichen AVK, wie Maria Theresia hatte, und die ist damit sogar Erzherzogin geworden.